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Oft taucht im Zusammenhang mit dem Thema 'Filmemacher und NS-Regime' die Frage nach persönlicher Verantwortung der Künstler und Künstlerinnen bzw. der Vorwurf einer moralischen Schuld auf. Die Forderung, diese Künstler für ihr Handeln zur Rechenschaft zu ziehen, scheint auf den ersten Blick legitim, sind jene doch zum Teil wesentlich an der massenpsychologischen Wegbereitung eines der düstersten Kapitel der Weltgeschichte beteiligt.
Beispielsweise wird dies der Regisseurin Leni Riefenstahl unterstellt. Besonders bei Betrachtung ihres Films 'Triumph des Willens' fällt es schwer, Leni Riefenstahl nicht als Apologetin des Führerkults zu sehen. Sie selbst weist derartige Vorwürfe hingegen weit von sich und leugnet auch jede Verantwortung mit der Begründung, sie sei Künstlerin und interessiere sich allein für Kunst. Da sie keine politischen Absichten verfolge, obliege ihr auch keine politische Verantwortung für ihre Werke.
Unzweifelhaft gilt es heute als Ideal, die volle Verantwortung für seine Handlungen und deren Folgen zu übernehmen, sei es als Wissenschaftler, Künstler oder Bürger. Die nachträgliche (!) Postulierung eines moralischen Imperativs ist selbst jedoch mit einigen historischen und ethischen Schwierigkeiten verbunden.
- Sind alle Fakten über die genauen persönlichen Umstände der Betroffenen bekannt? Falls ja, gab es überhaupt Handlungsoptionen?
- Wer, außer der betroffenen Person selbst, hat das Recht, über akzeptable Handlungen mit möglicherweise schwerwiegende Folgen für die Person zu entscheiden? Bis zu welchem Punkt kann die Bereitschaft, Sanktionen in Kauf zu nehmen, um moralischen Gesichtspunkten zu genügen, verlangt werden?
- Welche ethischen Normen müssen/können angelegt werden? Zeitgenössische oder aktuelle? Und wie können diese verbindlich und vergleichbar definiert werden? |
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Wie sich zeigt, wirft die Untersuchung zur Situation der Filmemacher in dieser Zeit automatisch eine ganze Reihe von weiteren Fragen auf, die z.T. nicht an dieser Stelle beantwortet werden können, die aber entscheidend für eine abschliessende Bewertung wären. Dies läßt es für den Autor ratsam scheinen, sich in der wissenschaftlichen Analyse der Geschehnisse hauptsächlich auf eine deskriptive Bearbeitung zu beschränken und persönliche Bewertungen, als solche exakt gekennzeichnet, nur sehr sparsam anzumerken. Daher kann es nur Aufgabe dieses Textes sein, Fakten zusammenzutragen, die eine individuelle Einschätzung der damaligen Situation ermöglichen - und gleichzeitig Überlegungen über mögliche ethische Faktoren anzustellen, ohne die Rolle eines Tribunals zu übernehmen.
Mitunter wird angeführt, die Greueltaten oder allgemein menschenverachtende Politik der Nazis seien nicht bekannt gewesen. Tatsächlich ist heute nur schwer nachzuvollziehen, in wieweit einzelne Künstler über den Terror informiert waren. Dies mag verharmlosend klingen, trägt mithin allein der Tatsache Rechnung, daß sowohl politisch-gesellschaftlich Privilegierte als auch Künstler oft in eigenen Sub-Realitäten leben. Da allerdings das Konzept nationalsozialistischer Propaganda, an möglichst breiter gesellschaftlicher Front zu wirken, von allen Partei- und Staats- und Medienorganen konsequent umgesetzt wurde, kann dieses Argument als Rechtfertigung für Mitläufertum kaum gelten.
Hinzu kommt, daß Schikanen, Verhaftungen und verschiedenste Ereignisse, wie z.B. die Bücherverbrennung (1933) oder später die Reichskristallnacht (1938), den radikal antidemokratischen und gewalttätigen Standpunkt der faschistischen Bewegung eindeutig belegten. Außerdem waren deren Ziele in Hitlers 'Mein Kampf' schon früh festgeschrieben und, so schreibt Hilmar Hoffmann, mit über zwei Millionen Exemplaren weit verbreitet. |
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Unschuldheischende Ahnungslosigkeit kann daher bestenfalls als naive Verdrängung gewertet werden, keinesfalls aber als haltbarer Grund für aktives Engagement pro Diktatur.
Arthur Maria Rabenalt erzählt in seiner Publikation 'Joseph Goebbels und der großdeutsche Film' von zahlreichen Intrigen, beauftragten oder selbsternannten Spitzeln und amourösen Nachstellungen mit denen Goebbels in grossherrschaftlicher Manier Regie über 'sein' Filmvolk führte. Vieles davon bleibt unbewiesen - allein die Vielzahl der aufgeführten Beispiele/Schicksale läßt vermuten, wie schwierig es für die Beteiligten gewesen sein muß, zwischen Willkür und Zensur den eigenen kreativen, die persönliche Integrität wahrenden Weg zu finden.
Auch heute zeichnet sich das Filmgewerbe nicht gerade durch mönchische Konventionen aus; es macht aber einen deutlichen Unterschied, ob man bei (gedachter oder tatsächlicher) Schikane im äußersten Fall den Arbeitgeber wechselt oder von einer allmächtigen, zentralen Führung mit Berufsverbot, Kriegsdienst oder Inhaftierung bedroht wird.
Ein besonderes Kapitel Goebbelschen Führungsstils ergibt sich aus dessen Vorliebe, die Besetzungslisten der Filmproduktionen zum Teil weniger nach künstlerischen Kriterien als nach persönlicher Dienstbarkeit der dort Aufgeführten zu genehmigen.
Zu dieser Praxis zitiert Rabenalt Goebbels mit dem Slogan: "A fesche Jüdin is no lang ka Jud!".
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